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ZEN

  • Autorenbild: rollinwal
    rollinwal
  • 12. Aug.
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 10. Okt.


Enso
Enso

Das Prinzip des Nicht-Tuns im Zen – Wu Wei und die Kunst des Geschehenlassens

 

Im Zen wird häufig vom „Nicht-Tun“ gesprochen – einer Haltung, in der Handlungen spontan und natürlich entstehen, ohne Zwang oder Absicht. Dieses Prinzip ist eng verwandt mit dem daoistischen Begriff Wu Wei, der „Nicht-Handeln im Einklang mit dem Dao“ bedeutet. Im Zen beschreibt es die Erfahrung, dass das Leben sich selbst entfaltet, wenn der Geist still wird.

 

Was bedeutet Nicht-Tun im Zen?

Nicht-Tun bedeutet nicht Passivität. Es ist das Handeln ohne Anhaftung – ohne den ständigen Versuch, die Welt zu kontrollieren. In der Praxis des Zazen (Sitzmeditation) zeigt sich dieses Prinzip unmittelbar: Der Übende sitzt, ohne etwas erreichen zu wollen. Gedanken kommen und gehen, und doch wird nichts festgehalten.


Verbindung zu Wu Wei im Daoismus

Der Begriff Wu Wei (無為) stammt aus dem Daodejing von Laozi. Er bezeichnet ein Handeln, das im Einklang mit der natürlichen Ordnung geschieht. Im Zen verschmilzt dieser Gedanke mit der Erfahrung der Leere (Śūnyatā). Wer nicht eingreift, lässt Raum für das, was ist. So wird das Tun mühelos.


Praktische Anwendung im Alltag

Das Prinzip lässt sich nicht erzwingen, aber kultivieren. Wenn man achtsam isst, geht, arbeitet oder spricht, kann man spüren, wie das Leben von selbst geschieht. Das Nicht-Tun zeigt sich im Tun – wenn kein „Ich“ mehr versucht, es zu steuern.


Fazit

Das Nicht-Tun im Zen ist kein Rückzug aus dem Leben, sondern das vollständige Aufgehen im Augenblick. Es ist ein Handeln ohne Ego, ein Tun ohne Tun – die Erfahrung, dass nichts fehlt.


Das Zen-Konzept des Hier und Jetzt.

(Die Samurai sind etwas weiter unten im Bericht)

Im Zen gilt das Leben im Hier und Jetzt als zentral, weil die direkte Erfahrung der Gegenwart die einzige Realität ist.

Vergangenheit und Zukunft existieren nur als Gedanken, Erinnerungen oder Erwartungen, während das gegenwärtige Erleben unvermittelt und wirklich ist.

Durch Achtsamkeit im Augenblick kann man die Dinge so sehen, wie sie sind, ohne sie sofort durch Gewohnheiten, Bewertungen oder Wünsche zu verzerren.

 

Die Vorteile davon sind vielfältig:

Es entsteht innere Klarheit, weil der Geist nicht dauernd zwischen Gestern und Morgen schwankt.

Stress und Sorgen nehmen ab, da man sich nicht in Vorstellungen über die Zukunft verliert.

Man entwickelt mehr Gelassenheit, weil man die Dinge unmittelbar annimmt, statt sie gedanklich zu bekämpfen.

Beziehungen vertiefen sich, weil man anderen wirklich zuhört und gegenwärtig bei ihnen ist.

Kreativität und Spontaneität können freier fließen, da man nicht in festen Mustern verharrt.

 

Kurz gesagt:

Im Zen wird das Hier und Jetzt als der einzige Ort gesehen, an dem Leben wirklich erfahrbar ist. Wer darin verweilt, erfährt mehr Ruhe, Klarheit und Lebendigkeit. Das klingt alles schön und gut aber:

 

Wo hilft Zen, wenn die Geldsorgen erdrückend sind?

Wo hilft Zen, wenn nach einem schlimmen Unfall der Körper nie mehr geheilt werden kann?

 

Das sind genau die Punkte, an denen die gutgemeinten Ratschläge und Konzepte von "lass einfach los und innerer Balance" an ihre Grenzen kommen. Wenn im Leben etwas passiert ist, das sich nicht mehr „lösen“ lässt. Das da ist, ob man will oder nicht.

Schulden, die erdrückend sind, oder ein Unfall, der den Körper unwiederbringlich verändert. Da kann man nicht einfach sagen: „Atme tief durch und sei gelassen.“

 

Zen behauptet nicht, dass Leiden verschwindet, wenn man nur richtig meditiert. Wenn jemand nach einem Unfall schwere körperliche Einschränkungen hat, ist der Schmerz real, die Einschränkung ist real. Zen würde nicht versuchen, das zu leugnen oder schönzureden.

 

Bei all dem Leid entsteht aber oft ein „zweiter Schmerz“: die Gedankenketten, das Vergleichen mit dem, was früher war, die Verzweiflung „warum ich?“.

Dieser zweite Schmerz kann das Leben fast unerträglicher machen als der eigentliche Umstand selbst.

 

Hier können jetzt Zen-Übungen helfen, den Unterschied zu erfahren zwischen dem, was unmittelbar ist, und dem, was der Geist daraus baut. Der Schmerz, die Sorgen sind Real, doch der Zusatz „das darf nicht sein“ oder „mein Leben ist zerstört“ schafft eine noch weitere, sehr schmerzvolle, zusätzliche Bürde. Manche Zen-Meister haben genau das in Krankheit oder Gefangenschaft erfahren.

 

Zen bringt dir kein Geld oder heilt deinen Körper. Aber Zen kann helfen, den unaufhörlichen inneren Druck gegen das Unausweichliche etwas zu lösen. Wenn dieser Druck sich lockert, kann trotz aller Härte so etwas wie Würde, Frieden oder sogar Freiheit auftauchen, mitten in der ausweglosen Situation. Das Problem bleibt real, aber es wird erträglicher. Gelassenheit hilft dir nicht, die Schulden, die Schmerzen, die Verluste verschwinden zu lassen, sondern sie verhindert, dass die Angst, die Zweifel, die Sorgen dich völlig lähmen.

 

Ein Zen-Meister hat einmal gesagt: „Schmerz ist sicher. Leiden ist optional.“ Damit ist gemeint: Der Schmerz gehört zum Leben, aber das zusätzliche Leiden, das wir durch inneren Druck und Gedankenstrudel hinzufügen, kann durch Zazen oder allgemein durch das Denken im "Zen" gemildert werden.

Das ist ein Teil des Konzepts des Hier und Jetz. Es bringt helle Momente in dunklen Zeiten.


Hier eine sehr einfache Übung, die direkt aus der Zen-Praxis kommt und nichts weiter braucht als dich selbst:

1.     Setz dich so hin, dass du stabil sitzt. Du musst nicht im Lotussitz sein, ein Stuhl reicht.

2.     Schließ die Augen oder lass den Blick weich auf einen Punkt fallen.

3.     Spüre, dass du atmest. Nicht bewusst kontrollieren, nur bemerken, wie der Atem von allein kommt und geht.

4.     Gedanken tauchen auf. Wenn einer kommt („ich hab Probleme…“, „was wird morgen…“), bemerke ihn wie eine Wolke, und kehre sanft zum Atem zurück.


Wenn du das zwei, drei Minuten machst, spürst du vielleicht, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem, was passiert (der Atem, der Körper, auch Schmerz oder Anspannung), und den Geschichten, die dein Kopf erzählt. Diese kleine Lücke ist genau der Raum, von dem im Zen gesprochen wird: ein Ort, an dem das Leben da ist, so wie es ist, ohne dass du im Denken versinkst.

Er wird nicht die äußeren Probleme lösen. Aber er gibt dir einen Eindruck von dem, dass es auch mitten in Sorgen oder Schmerzen noch einen Bereich in dir gibt, der still, unzerstört und frei ist.


Weitere Vorteile regelmässiger Meditation für das Leben.

Zen und auch die Praxis des Zazen kann im Alltag zu einer klareren Wahrnehmung führen. Wer regelmäßig sitzt, entwickelt eine größere emotionale Stärke, weil Gedanken und Gefühle nicht sofort überwältigen. Es entsteht die Fähigkeit, auf Situationen mit mehr Abstand zu reagieren.


In schwierigen Momenten zeigt sich eine wachsende Souveränität, die kopfloses und überstürtztes Handeln minimiert. Auch die Konzentration auf Aufgaben verbessert sich, weil Ablenkungen leichter vermieden werden können. Die innere Ruhe, die sich dabei entfaltet, gibt dem Handeln eine feste Grundlage. Alltägliche Probleme erscheinen dadurch weniger bedrohlich. Gleichzeitig wächst das Vertrauen in die eigene Urteilskraft. Auf diese Weise wird das Leben schrittweise einfacher und fokussierter..

Körperlich kann die Meditation zu einem ruhigeren Herzschlag und tieferem Schlaf führen und auch als unterstützende Therapie bei Ängsten, Depressionen und schmerzen dienen.



Samurai
Samurai

Ein kleiner Exkurs: Zen und Samurai

Zen und die Samurai sind eng verbunden, auch wenn Zen-Buddhismus nicht der „Kriegerglaube“ war, sondern eine spirituelle Praxis. Die Samurai übernahmen viele Prinzipien des Zen, weil sie sich im Krieg und im Training als hilfreich erwiesen.


Zen legt Wert auf Direktheit, Einfachheit und die unmittelbare Erfahrung des Augenblicks. Meditation (zazen) schult Achtsamkeit, Klarheit und die Fähigkeit, nicht an Gedanken oder Gefühlen festzuhalten.


Für die Samurai bedeutete das:

  • Zanshin: Nach dem Schlag mit dem Schwert nicht innerlich „abbrechen“, sondern weiterhin präsent und wach bleiben. Ein Samurai, der nach dem Sieg unaufmerksam wird, ist verletzlich.

  • Fudōshin: Im Kampf ruhig und unerschütterlich bleiben, auch wenn das Leben bedroht ist. Keine Panik, kein Zorn, keine Angst bestimmen die Handlung. Das war für Samurai lebenswichtig.

  • Mushin: Nicht an Technik, Sieg oder Angst denken, sondern „leer“ sein, damit Körper und Schwert aus der Übung heraus spontan reagieren. Das ist sehr zen-buddhistisch: handeln ohne anzuhaften.


Zen half den Samurai, den Tod zu akzeptieren, sich auf den Moment zu konzentrieren und frei von störenden Gedanken zu kämpfen. Es war also nicht nur eine Religion, sondern eine praktische Geisteshaltung für das Leben und Sterben des Kriegers.


Kurz gesagt:

Zen gab den Samurai die geistige Klarheit, Entschlossenheit und Ruhe, die sie im Kampf und im Leben brauchten. Nicht „Wolken und Weihrauch“, sondern direktes, praktisches Training für Geist und Körper.


Viele traditionelle Samurai-Künste – Bogenschießen (Kyūdō), Schwertkunst (Kenjutsu), auch Teezeremonie oder Kalligraphie – wurden vom Zen-Geist geprägt. Es ging nie nur um Technik, sondern um innere Haltung.


Weshalb erzähle ich das über die Samurai?

Mir geht es darum anzudeuten, dass Zen viel viel mehr ist als ein Lifesytle oder ein Spaprogram am Sonntagmorgen. Dies hat alles seine Gültigkeit und Berechtigung und es ist nichts Negtives daran, sich verwöhnen zu lassen. Im Gegenteil.

Doch Zen kann viel mehr in die Tiefe des eigenen Lebens vordringen, wenn du das denn willst und zulässt.

Deshalb die Geschichte über die Samurai und Zen.



 
 
 

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